Was fasziniert Sie an den Informationstechnologien?
Daran fasziniert mich, dass es so viele wunderbare neue Entwicklungen gibt, die man überall integrieren kann. Also sowohl kommunizieren wir vernetzt heutzutage durch Informationstechnologien, aber wir haben auch die Möglichkeit, z. B. im Bereich Wearable Computing, kleine quasi Mini-Computer in die Kleidung zu integrieren und dadurch ganz neue Interaktionsformen zu entwickeln. Und ich als Designerin finde das natürlich toll und dafür braucht man eine ganz wunderbare User Experience – also die Nutzerakzeptanz, die Nutzererfahrung muss ganz besonders gut gestaltet sein. Und das ist ein faszinierender Aspekt an Informationstechnologien.
Sie sind seit März 2014 die Digitale Botschafterin Deutschlands. Mit welcher Maßnahme versuchen Sie europäische Unternehmen gegen die US-amerikanische Dominanz im Internet zu unterstützen?
Das ist eine schwierige Frage, so ganz einfach ist das nicht. Es gibt ja viele Fragestellungen auf europäischer Ebene, die darauf hinzielen: Gibt es Monopolstellungen, also kann man sozusagen kartellrechtlich etwas machen? Es gab einmal so eine These, ob man Google zerschlagen sollte, also ob es da wirklich harte Maßnahmen dagegen geben sollte. Was im Moment eher gemacht wird, ist zu versuchen, auf europäischer Ebene Industrieverbünde zu stärken, einfach durch Konkurrenz auf dem Markt eine Verbesserung dieser Wettbewerbssituation hinzubekommen. Also ich bin eigentlich dagegen, dass man wirklich große Zerschlagungspläne zu Felde führt, sondern dass man eher sagt, man stärkt den europäischen digitalen Binnenmarkt, man versucht eigentlich dieses Gewicht, was Europa mit allen Unternehmen wirklich in die Waagschale werfen kann, dass man das unterstützt durch industriepolitische Maßnahmen. Und ich glaube, dann kommen wir da zu einem guten Ausgleich hin, um dieser Monopolbildung oder dieser Plattformbildung durch die Digitalisierung entgegenzuwirken.
Elon Musk hat in einem Interview gesagt, dass ihm die Entwicklung von künstlicher Intelligenz teilweise schlaflose Nächte bereitet. Gibt es technologische Entwicklungen, die Ihnen Angst machen?
Eine schwierige Frage, Angst macht mir das nicht. Ich glaube aber, wir sehen jetzt gerade in den letzten Jahren auch sehr viele Schattenseiten der Digitalisierung auf uns zu kommen. Wenn man so den Vergleich hat: In den 90er Jahren war es ja sehr stark so, dass wir das Internet euphorisch gefeiert haben und gesagt haben, es gibt eigentlich einen neuen basisdemokratischen Raum durch die Digitalisierung. Und heute sehen wir stark auch Radikalisierungen durch das Netz. Wir sehen den sogenannten Echokammereffekt, dass sich einfach Prozesse selbst verstärken oder dass sich auch bestimmte Gruppierungen selbst verstärken und dadurch radikalisieren. Und das ist eine große Schwierigkeit, die mir sicherlich auch Angst macht – also wie können wir diesem eigentlich wunderbaren sozialen Raums des Internets, wie können wir dem gute Leitplanken geben, damit eben solche Radikalisierungstendenzen abgeschwächt werden zumindest. Und das kann passieren z. B. durch Gegenrede, durch Counterspeach sozusagen, das kann passieren durch Löschen oder Sperren von Hasskommentaren im Netz. Das sind ganz konkrete Maßnahmen. Aber da muss man eben schauen, dass man eine gute Balance hinbekommt, damit man keine schlaflosen Nächte hat.
Sehen Sie in Anbetracht des technologischen Wandels als Hochschullehrerin neue oder bisher vernachlässigte Aufgaben auf Schulen und Hochschulen zukommen?
Ganz klar ja, ein ganz großes Ja. Und zwar auf Hochschulen kommt zu, dass wir mehr Gründungen fördern müssen, dass wir mehr die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen müssen, dass wir neue Formate auch der digitalen Bildung in der Hochschullehre einbringen müssen – also so etwas wie große Plattformen, wie Udacity oder iversity, die machen uns das vor. Also dass wir mehr eine Vernetzung zwischen analogem vor Ort Lernen und digital vernetztem Lernen hinbekommen sollten. Das ist der eine Punkt.
Auf Schulen kommt eine Riesenaufgabe zu. Die müssen nämlich digitale Bildung vermitteln und das machen sie bisher in Deutschland gar nicht. Und das ist wirklich tragisch, das kann so nicht weitergehen. In Europa gibt es gute Beispiele, wie es besser gemacht werden kann. Man muss Kindern heute, wie ich finde, sogar an der Grundschule, ja eigentlich Grundkenntnisse im Programmieren, in digitalen Kenntnissen, in Medienkompetenz beibringen, damit die in der digitalen Welt überhaupt bestehen können.
Bitte schildern Sie den ersten Gedanken, den Sie mit UseTree verbinden.
Der erste Gedanke: Es sind total nette Leute, es ist ein tolles Startup von TU und UdK, also sozusagen aus dem home turf hier entstanden. Ich finde es ganz toll, dass sich eben junge Leute hier zusammengetan haben, um Usability und User Experience nach vorne zu bringen. UseTree ist ein schönes Bild, weil es eben diesen Baum und den Nutzen zusammenbringt und so etwas Wachsendes hat. Und ja, ich wünsche diesem jungen Team total viel Erfolg!
Wo würden Sie die Grenze zwischen Usability und UX sehen? Können Sie ein Beispiel für eine besonders gelungene User Experience nennen?
Usability und UX gehen für mich ineinender über, denn Usability ist eigentlich ein Begriff, der so in den 90er Jahren geprägt wurde und da ging es auch ganz stark darum, dass man vielleicht einen etwas verengten Begriff vom Nutzer hatte. Also der Nutzer muss seine Aufgabe in einer bestimmten Zeit erfüllen und dann war das System sozusagen usable, dann war es nutzbar. User Experinence geht weiter und nimmt eben den ganzen Erfahrungshorizont des Nutzers oder der Nutzerin mit in den Blick und der wird eben auch nicht mehr nur in seiner Funktion genommen, Software richtig zu benutzen, sondern welche Erfahrungen hat er – hat er vielleicht Spaß dabei. Das ist eigentlich ein sehr schönes Konzept und ein sehr viel breiteres, also insofern bin ich klarer Fan von User Experience. Und gute Beispiele sind einfach im Alttag zu finden. Also ein Kochlöffel ist z. B. ein sehr, sehr gutes Beispiel für eine gute User Experience – wenn er aus einem tollen Holz gemacht ist, wenn man damit ordentlich Sachen umrühren kann und dadurch einfach das Gesamterlebnis sehr, sehr gut ist. Also ist das mein Lieblingsbeispiel für User Experience.
Ist aus Ihrer Sicht die demografische Entwicklung in Europa ein Handicap für den Ausbau der Informationstechnologien oder können Sie auch Chancen oder gar Vorteile daraus ableiten?
Ich mache viel zum Thema demografischer Wandel und habe auch viele Studien jetzt dazu gelesen, was diesen sogenannten digital gap angeht, also den digital divide – die Spaltung derer, in die die online und Internet-affin sind und die die abgehängt sind. Und das hat einerseits mit der alternden Bevölkerung zu tun, aber andererseits auch mit der wachsenden Spaltung, dass viele gar nicht so gebildet sind oder gar nicht den Zugang zu Bildung haben, um teilhaben zu können an der digital vernetzten Gesellschaft. Insofern ist dieser demografische Aspekt der Alterung nur einer. Ich glaube aber trotzdem, dass, wenn wir gute Bildungsmaßnahmen hinbekommen – bis ins hohe Alter – also wenn wir lebenslanges Lernen in der Digitalisierung auch wirklich Realität werden lassen, dass es dann nicht ein Handicap ist, sondern wirklich Vorteile und Chancen daraus entstehen können. Denn mein Zielbild ist eine sogenannte „Inklusive-Digitale-Gesellschaft“, die allen den Zugang zu den Vorteilen der Digitalisierung geben kann. Insofern ist das dann auch wieder eine Chance durch Bildung.
Das Land Berlin versucht verstärkt auf Informationstechnologien zu setzen. Welche Standortvorteile können Sie ausmachen?
Insofern ist die Frage doch ein Hauptgewinn, weil Berlin ein ganz ganz großer, großartiger Standort für Digitalisierung ist. Wir haben ganz viele spannende Bausteine jetzt zusammengesammelt. Es gibt eine digitalen Agenda, auch des Regierenden Bürgermeisters. Und zwei Aspekte davon: einer ist ein Einsteinzentrum für Digitalisierung, was jetzt beantragt wird, wo alle Berliner Universitäten sich eingebracht haben und die Aspekte der Digitalisierung von der technologischen Perspektive her nach vorne bringen wollen – also richtig so gebündelte, geballte Technologiekompetenz, also ein richtig tolles Teil. Und das zweite ist, wir haben einen Antrag in den Ring geworfen zum bundesdeutschen Internet-Institut. Da wird es eher um die sozialen und gesellschaftspolitischen Aspekte gehen. Also z. B. wem gehören eigentlich meine Daten, wird in Zukunft eine Frage sein, wenn mein selbstfahrendes Auto dauernd Daten produziert: Gehören sie mir oder dem Auto oder der Stadt Berlin oder den Konzernen? Solche Fragen werden spannend sein. Auch Fragen der digitalen Souveränität: Können wir eigentlich noch mündig mit unseren Daten z. B. agieren, was wären Voraussetzungen dafür? Die sollen alle in diesem bundesdeutschen Internet-Institut behandelt werden. Insofern haben wir da in Berlin schon mal zwei ganz große Schwergewichte, die wir hier ins Rennen schicken, neben ganz vielen anderen Maßnahmen, neben solchen tollen Startups, wie wir sie hier sehen, neben solchen Startup-Zentren auch, die hier entstehen. Insofern ist Berlin wirklich prädestiniert für die Digitalisierungshauptstadt von Europa.
Medienquelle: UseTree