Konnektivität ist der Schlüssel zur vierten industriellen Revolution. Über das Internet der Dinge kommunizieren in Zukunft auch Maschinen miteinander. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen dieses Wandels?
Ich glaube, im Internet der Dinge werden in den nächsten Jahren sehr viele neue Entwicklungen kommen. Jedes Ding im Alltag wird vernetzbar werden. Wir werden schon 2020 in die Größenordnung von 20 Milliarden kommen. Das wird sich weiter erhöhen: Manche rechnen bis 2025 mit einer halben Billion an vernetzbaren Dingen. Also alles, was im Alltag ist, kann vernetzt werden, kann internetfähig werden, kann eine Adresse bekommen. Man kann dort Software aufspielen, man kann Daten erfassen und man kann sie verarbeiten. Das sind riesige Potenziale. Die größte Herausforderung wird sein, diese Potenziale zu erschließen. Ein Schwerpunkt, den wir als Bundesministerium für Wirtschaft natürlich setzen, ist das Thema Industrie 4.0. Hier wird man in den Betrieben sehen müssen, wie das Zusammenspiel der Maschinen – aber auch das Werkstück selbst, das in der Maschine ist – dann aufgrund der Sensorik wird bestimmen können, wie die nächste Verarbeitung sein wird. Dies zu optimieren und dies überhaupt erst zu ermöglichen, das ist auch eines der Ziele von Industrie 4.0. Ich wünsche mir sehr, dass es auch gelingt. Denn letztlich gehört zu Industrie 4.0 ja auch die Losgröße 1: dass man maßgeschneiderte Produkte macht. Hierzu braucht man sehr viel Datenverarbeitung, um eben genau sicher zu stellen, dass im Produktionsprozess am Ende das individuelle Produkt herauskommt das der Kunde will – zu den Kosten der Massenproduktion. Das ist die Herausforderung, um die es in den nächsten Jahren geht. Hier werden sich viele Betriebe umstellen müssen. Auch die Infrastruktur wird sich umstellen müssen. Man wird überall eine hohe Breitbandigkeit brauchen, aber das wird nicht genügen. Es muss auch die Echtzeitfähigkeit der Prozesse da sein. Wenn es da Verzögerungen gibt, kann der ganze Produktionsprozess ins Stocken geraten. Das muss vermieden werden. Es ist also eine sehr, sehr große technologische Herausforderung.
Daneben haben wir natürlich Fragen der Standardisierung und der Normung. Es muss möglich sein, die einzelnen Maschinen auch miteinander zu verbinden. Hier braucht es so etwas wie Plug & Produce-Lösungen, einfach zu konfigurieren, sodass, wenn ein neues produzierendes Teil, eine neue Maschine dazukommt, man das sofort in den Prozess einbringen kann. Das wird ohne Normen und Standards nicht gehen, da müssen wir eine Menge machen. Und dann müssen wir als Drittes den Rechtsrahmen, den wir jetzt noch bei 2.0 haben, auf 4.0 umstellen. Das sehe ich auch als große Herausforderung.
Vielleicht noch ein Aspekt, der mir auch wichtig ist beim Internet der Dinge: Wir sollten nicht nur an Industrie 4.0 denken, sondern auch an so etwas wie Smart Home. Auch hier haben wir die Vernetzbarkeit aller Dinge im Haus – was man früher weiße, graue Ware genannt hat. Auch das alles muss zusammenspielen und auch hier müssen wir eine Lösung für die Standardisierung haben, damit sofort erkennbar wird, wenn ein neues Haushaltsgerät kommt: Wie passt das zu den anderen? Wie kann ich eine Gesamtsteuerung machen, die eben auch Energie umfasst, nicht nur Komfort und auch Sicherheit? Auch das ist über Smart Home heute machbar. Hier kommt es sehr auf Standardisierung an, auf IT-Sicherheit. Das ist vielleicht der letzte Aspekt, den man nicht außer acht lassen darf. Natürlich – je mehr ich Dinge vernetzen kann, desto mehr kann ich sie auch kompromittieren. Man braucht gute Lösungen, um IT-Sicherheit abzubilden.
Im Förderschwerpunkt Mittelstand-Digital werden Projekte rund um die Themen Usability und User Experience gefördert. Aus einem der Projekte ist ja auch UseTree entstanden. Wie schätzen Sie die Wirksamkeit der gesamten Förderinitiative ein? Sehen Sie noch weiteren Bedarf?
Mit dem Programm Mittelstand-Digital, dem Kompetenzzentren Mittelstand 4.0, mit dem Thema Usability haben wir einen sehr wichtigen Schwerpunkt gebildet. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass man die schönste Software entwickeln kann, aber wenn sie am Nutzer vorbeigeht, der Nutzer sich schwer tut, diese Software anzuwenden, dann wird die Software auch nicht wirklich am Markt Erfolg haben. Von daher ist es wichtig, dass wir auf so etwas wie Usability und User Experience sehr viel mehr Wert legen, auch in der Zukunft. In den Usability-Programmen haben wir an ausgewählten Beispielen einfach einmal gezeigt, was das bedeuten kann. Eines dieser Projekte ist eben UseTree. Daran kann man sehen: man muss heute auch sehr viel genauer darüber nachdenken, wie das Design sein muss, wie auch die Emotionalität angesprochen werden, wie die Psychologie angesprochen werden muss, wenn Software genutzt wird. Das kann man genau analysieren. Dann kann man eben auch schauen, dass man die Software entsprechend weiterentwickelt. Es gibt ja schon sehr lange Zeit Grundsätze dazu, aber die müssen eben mit Leben gefüllt werden. Es ist sehr wichtig, dass man die Software so einfach, so intuitiv wie möglich macht und es eine gewisse Angemessenheit auch dem jeweiligen Arbeitsumfeld gegenüber gibt. Wenn das nicht gegeben ist, dann funktioniert es eben nicht.
Ich glaube, wir können zufrieden sein. Wir haben seit 2012 Projekte mit rund 80 Zuwendungsempfängern auf den Weg gebracht, die in der Entwicklung vorangekommen sind. Wir werden in Kürze auch die besten Beispiele daraus noch einmal zur Verfügung stellen, damit wir beim Thema „Software im Betrieb“ vorankommen. Das ist ein Schwerpunkt, der bislang auch noch nicht genügend betrachtet wurde. Da hat sich ja gerade in den Informations- und Kommunikationstechnologie-Umfeld in den letzten Jahren sehr, sehr viel getan. Wenn ich nur an die neuen Möglichkeiten denke: Vor 10 Jahren gab es ja noch gar keine Smartphones, es gab keine Tablets. Dies hat sich entwickelt und für den Konsumenten eine Menge an Usability gebracht, weil es sehr einfach geworden ist: Wischen, Gestik… das hatte man vorher nicht. Das müssen wir jetzt auch auf den betrieblichen Alltag übertragen in Form von Apps und weiteren Schritten, um die Nutzerfreundlichkeit am Arbeitsplatz zu erhöhen.
US-Konzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon schaffen mit ihren Marken zunehmend geschlossene Systeme, die eine große Verbindlichkeit und Kundenbindung mit sich bringen. Blicken Sie optimistisch in die Zukunft der offenen digitalen Gesellschaft?
Ich denke, dass die Herausforderungen schon in den Griff zu kriegen sind. Aber wir müssen uns neu überlegen, wie die Ordnungspolitik aussieht, die zum digitalen Zeitalter passt. Wir haben seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft diese Woche ein Grünbuch herausgegeben, in dem wir diese Frage noch einmal umfassend aufwerfen. Zum Beispiel die Frage des Umgangs mit den Daten. Mit den Daten will man einerseits neue Geschäftsmodelle machen. Das ist auch gut so. Zum anderen müssen natürlich die Interessen der Verbraucher bedacht werden. Für den Verbraucher ist es wichtig, was mit seinen Daten gemacht wird – er will das wissen. Wir brauchen da also Transparenz und das Handling der Daten. Daten sind ja praktisch auch eine Währung. Dies ist genau zu betrachten und es gilt zu überlegen, ob hier zum Teil Marktdominanz eine Rolle spielt. Wir wissen ja, dass das Bundeskartell gerade für Facebook eine Untersuchung macht, ob in Hinsicht auf die AGBs und den Datenschutz die Marktdominanz missbraucht wurde. Ich glaube, das sind Vorboten von Diskussionen, die wir mit dem Grünbuch anstoßen wollen und zu denen noch nicht wir die Antworten haben. Wir sind da in engem Kontakt mit der Europäischen Kommission, weil man manches nur im Rahmen der Digital-Single-Market-Strategie der Europäischen Kommission wird lösen können.
In welcher Branche sehen Sie in Anbetracht des technologischen Wandels den größten Bedarf an Usability- und User-Experience-Maßnahmen?
Diese Frage an einer bestimmten Branche festzumachen, fällt mir schwer. Ich glaube, das Thema wird alle Branchen umfassen müssen. Wir müssen Usability erweitern in Richtung User Experience. Das heißt, es genügt nicht mehr allein die Gebrauchstauglichkeit von Software zu betrachten. Nein, mit der Usability muss auch die Frage verbunden sein, welche emotionalen Aspekte da hineinspielen. Wie kann ich diese entsprechend befördern? Denn nur so kann der Erfolg der Software gesichert werden. Das war auch Teil der Strategie Mittelstand-Digital des Bundeswirtschaftsministeriums, das Thema Usability und User Experience zusammen zu betrachten. Dies nicht nur für eine bestimmte Branche. Ich glaube, im Bereich des B2C, also der konsumentenorientierten Produkte, ist das vielleicht schon weiter gediehen, denn heute wird jeder seine App so bauen, dass sie auch besonders gut angenommen wird. Da gibt es auch immer wieder Tests. Die Software, die wir im Unternehmen brauchen, ist meist noch nicht so gut. Usability und User Experience für Unternehmen zusammenzubringen und gemeinsam zu betrachten, das müssen wir in Zukunft noch verstärken.
Die Bundesregierung setzt mit der digitalen Agenda verstärkt auf Informationstechnologien. Wo sehen Sie Deutschland weit vorne?
Ich glaube, Deutschland liegt in der Spitzengruppe, aber nicht ganz vorne. Das zeigen alle Berichte und internationalen Vergleiche und auch unser eigenes Monitoring, wenn wir uns die Fortschritte bei der digitalen Agenda anschauen. Wir sind also über dem Durchschnitt, können aber noch besser werden. Wo müssen wir verstärken? Ich denke, in der Industrie, in den traditionellen Branchen, sind wir von jeher sehr gut, ob das die Automobilbranche ist, der Maschinenbau oder die Chemie. Wenn es uns gelingt, hier eine Verknüpfung mit IT herzustellen, dann können wir noch viel weiter nach vorne kommen. Da müssen wir einen Akzent setzen und das tun wir auch. Jedes Produkt wird in Zukunft sehr viel mehr Software enthalten. Es wird immer mehr Updates geben für Produkte wie Autos oder Maschinen, auf die man im Laufe des Produktzyklus neue Funktionalitäten aufspielen kann. Es wird nicht mehr so sein, dass ein Produkt mit einer bestimmten Funktionalität in den Markt kommt, sondern man wird es mithilfe von Software immer weiter verbessern können. Bezüglich der Sicherheit wird es entsprechend laufen müssen. In diesen Bereichen müssen wir in der Zukunft noch stärker werden und darauf sollten wir uns konzentrieren.
Woher kommt, Ihrer Meinung nach, der Erfolg digitaler Produkte?
Ich glaube, der Erfolg digitaler Produkte ergibt sich daraus, dass der Komfort, der Mehrwert für die Nutzer sofort erkennbar ist. Wenn ich mich über ein Smartphone sehr schnell informieren kann, wie ich von A nach B komme, wenn ich eine Wetterprognose bekomme, dann liegt der Mehrwert sehr auf der Hand. Die Informations- und Kommunikations-Technologien haben in den letzten 10-15 Jahren eine stürmische Entwicklung erfahren. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn die Umsetzbarkeit im persönlichen Umfeld nicht gegeben wäre: praktisch alle Lebensbereiche bis hin zur digitalen Partnervermittlung sind erfasst. Es ist der Querschnittcharakter der Technologie, der in so viele Bereiche eindringt, der den Erfolg ausmacht. In der traditionellen Industrie sehen wir mit Industrie 4.0 noch eine Menge Zukunft vor uns. Die Big Data-Analysen, die jetzt durch das Internet der Dinge erfasst werden, erschließen Mehrwerte, die den Erfolg noch einmal beflügeln werden. Die Entwicklung ist wie in keinem anderen Technologiebereich atemberaubend, weil es eben ständig neue Chancen, neue Geschäftsmodelle eröffnet, wie zum Beispiel Carsharing aber auch den gesamten der Sharing Economy Bereich. Das sind Geschäftsmodelle, die es vor 5-6 Jahren so noch gar nicht geben konnte.
Was fasziniert Sie persönlich an Informationstechnologien?
Als ich vor ungefähr 18 Jahren anfing, mich mit dem Thema Informations- und Kommunikationstechnologien zu befassen, war das noch das Zeitalter, wo man stolz war, wenn man eine ordentliche CD gemacht hat, auf der man bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt hat und die dann auch lauffähig war auf den Laufwerken. Wir haben heute eine völlig veränderte Welt. Heute bekommt man eine Menge von Daten über Portale, man hat Streaming. Allein schon in der Musik: Wenn man überlegt, wie da die Entwicklung seit der CD fortgeschritten ist. Heute haben viele ein Abo über einen Musikdienst, wo sie Musik an überall sofort bekommen können. Das Faszinosum der Informations- und Kommunikationstechnologien, auch der Digitalisierung, liegt einfach darin, dass so unendlich viele neue Produkte und Dienste entstehen, die das Leben sehr erleichtern können. Ein Beispiel: Wenn ich eine Reise mache, kann ich über den Navigator, zum Beispiel der Deutschen Bundesbahn, sehr schnell sehen, wie ich von A nach B komme und wie ich vor Ort in die entsprechende Straße finde. Auch Messenger-Dienste, über die ich sehr viele Informationen austauschen kann, Fotos sehr schnell teilen kann, etc. – das zeigt die große Dynamik und das ist es, was mich fasziniert.
Bildquelle: UseTree